Aktuelles

Monitoring 2019/2020

Aktuelles von den Pfahlbaufundstellen im Raum Überlingen

Drohnenstart auf dem Arbeitsboot am Osthafen. Die Drohne liefert hochauflösende Senkrechtbilder der Flachwasserzone. Foto: LAD, J. Köninger.

Taucher mit Bohrsonde am Yachthafen. Gut zu erkennen ist die Kulturschicht – der braun gefärbte Abschnitt rechts im Bohrkern, bestehend aus organischem Detritus. Foto: LAD, F. Steffensen.

RTK-GPS im Einsatz am Yachthafen. Zwei Taucher bringen die GNSS Antenne über Bohrpunkten in Position. Foto: Foto: LAD, J. Köninger.

Flächendeckend von Quagga Muscheln besiedelter Seegrund am Osthafen (re). Vor der Pfahlaufnahme werden diese mit Hilfe der von den „Strahlrohdüsen“ erzeugten Strömung entfernt. Foto: LAD, J. Köninger

Durch weiße PVC-Rohre markierte und mit grünen Etiketten versehene Reihe eng stehender Pfähle der seeseitigen Palisaden. Foto: LAD, F. Steffensen.

Die Kenntnis bronzezeitlicher und jungsteinzeitlicher Ufersiedlungen vor Überlingen fußte bis in die 2000er Jahre in der Hauptsache auf den Auskünften von Privatsammlern sowie deren Privatsammlungen, die etwa zwischen den 1970er bis 1990er Jahren entstanden sind. Von Bedeutung ist auch der Bestand an Altfunden im Städtischen Museum in Überlingen, die noch vor und um die vorige Jahrhundertwende gemacht wurden.

Insgesamt lassen sich heute im Raum Überlingen vier Siedlungsareale unterscheiden: Mantelhafen, Yachthafen, Strandbad und Osthafen. Während die Siedlungsreste am Mantelhafen größtenteils unter der mittelalterlichen Stadt zu vermuten sind, wurden zwei weitere Siedlungsareale durch den Bau des Yachthafens bereits ab 1937 annähernd vollständig und teilweise durch den Bau des Osthafens im Jahre 1978 zerstört. Die Pfahlbaureste im Strandbadbereich liegen dagegen seit den 1970er Jahren unter der dort eingebrachten Uferaufschüttung.

Prospektionstauchgänge des Landesdenkmalamtes in den Jahren 2001 und 2003 brachten am Mantelhafen und vor dem Yachthafen punktuelle Nachweise von Kulturschichterhaltung. Bereits 1993 wurden am Osthafen Pfahlfeld- und Kulturschichtreste im Gelände lokalisiert. 2003 konnten Pfahlfeld und Kulturschicht mit Hand-GPS eingemessen werden. 2009 wurden schließlich drei Erosionsmarker gesetzt, die in Folge 2010 und 2018 abgelesen wurden. Seit 2004 wird das Pfahlfeld in regelmäßigen Abständen durch Taucher des Landesamtes für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart, Dienstsitz Hemmenhofen, abgeschwommen und in Augenschein genommen.

Im Dezember 2019 und im Januar/Februar 2020 konnten nun im Zuge eines umfassenden Monitoring die assoziierten Stationen des UNESCO-Welterbes „Prähistorische Pfahlbauten um die Alpen“ eingehender untersucht und Probenmaterial für botanische und dendrochronologische Untersuchungen sichergestellt werden.

Durch präzise +2cm genaue RTK-GPS-Einmessung, einhergehend mit Drohnenbefliegungen, ließen sich nun verlässliche Daten zur Ausdehnung und Lage der noch vorhandenen Kulturschichten am Mantelhafen und am Yachthafen und zur Ausdehnung von Pfahlfeld und Kulturschichten am Osthafen erheben. Die Kulturschichten am Mantelhafen und vor dem Yachthafen sind nach Ausweis der abgeteuften Bohrungen teilweise bis zu 30 cm mächtig und werden durch 14C-Messungen in die älteste Phase jungsteinzeitlicher Pfahlbauten des Bodenseeufers um 4000 v. Chr. datiert.

Das Pfahlfeld am Osthafen reicht mit einer uferparallelen Ausdehnung von knapp 100 m wesentlich weiter nach Osten als zunächst angenommen. Landseitig ist die Erosion bereits weit fortgeschritten, hier finden sich nur noch 5–10 cm lange Pfahlspitzen. Erste dendrochronologische Untersuchungen an geborgenen Eichenpfählen durch Oliver Nelle (Dendrolabor des Landesamtes für Denkmalpflege, Ref. 84.1 Fachgebiet Feuchtbodenarchäologie, Dienstsitz Hemmenhofen) lieferten jahrgenaue Daten zwischen 3197 und 3131 v. Chr., die somit eine mehrfache Besiedlung während der mittleren Horgener Kultur anzeigen, der auch die Kulturschicht zuzurechnen ist. Die relativ hohe Pfahldichte lässt zudem auf weitere durch die Eichenproben nicht erfasste Siedlungsphasen schließen. Der am seeseitigen Rand erfasste mehrere Meter breite Streifen dicht stehender Pfahlreihen dürfte am ehesten eine durch Palisaden eingefasste Anlage der Bronzezeit anzeigen. Das jetzt geborgene Bruchstück einer gegossenen, typisch patinierten Bronze erhärtet diese Vermutung. Die Altfunde an früh- und spätbronzezeitlichen Metallobjekten und Keramik im Städtischen Museum in Überlingen, die aufgrund ihrer Patinierung und anhaftender Kalkkrusten aus dem See stammen müssen, könnte demnach, was bislang unklar war, ebenfalls aus dem Areal am Osthafen stammen.

Eine Herausforderung ist die seit dem Winter 2017/2018 sich ausbreitende Quagga Muschel „dreissena rostriformis“. Sie bedeckt im Siedlungsareal flächendeckend den Seegrund und besiedelt auch die über den Seegrund ragenden Pfahlköpfe, die dadurch dem Wellendruck größere Angriffsflächen bieten. Wie in Unteruhldingen-Stollenwiesen nach dem Sturmtief „Petra“ 2020 zu beobachten war, werden die Muschelbänke teilweise im Wellenschlag aufgerissen. Die dadurch entstehenden muschelfreien Sandflächen entwickeln sich in der Folge zu Erosionsrinnen. Man wird in den kommenden Jahren beobachten müssen, wie sich die massive Besiedlung mit Quagga Muscheln mittelfristig auf das Erosionsgeschehen in der Flachwasserzone auswirkt. Schon jetzt bilden die Schalen der abgespülten Muscheln in Mulden Zentimeter dicke Ablagerungen.

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