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Bodman-Ludwigshafen Wie Pfahlbauten zur Vorlage von Spielplätzen werden

Perspektivwechsel: Prähistorische Pfahlbauten dienen als Vorlagen für zwei außergewöhnliche Spielplätze in Bodman-Ludwigshafen. Doch die Forschung der Archäologen lässt auch viele Rückschlüsse auf das Leben in der Bronze- und Steinzeit zu.

 

Pfahlbauten? Sind das nicht die in Uhldingen? Auch. Manch ein Uferbereich hat Pfahlbaureste – unsichtbare Zeugen der Vergangenheit. Aber um sie sichtbar zu machen, gibt es in Bodman-Ludwigshafen etwas Besonderes: Spielplätze in beiden Ortsteilen, die Pfahlbau-Dörfer nachstellen. Sie werfen damit einen Blick auf das verborgene Unesco-Welterbe und machen es sicht- sowie greifbar. Schautafeln am Spielplatz, beim Zollhaus und auf dem Uferweg zwischen den Teilorten geben Einblicke in die Fundstellen. Jüngst bekam der Spielplatz beim Zollhaus den Deutschen Spielraum-Preis.

 

Pfahlbauten repräsentieren ein archäologisches Erbe, das bis 5000 Jahre vor Christus zurückreicht. Das Unesco-Welterbekomitee erklärte am 27. Juni 2011 insgesamt 111 prähistorische Pfahlbau-Fundstellen in sechs Alpenländern zum Weltkulturerbe. Seither ist Bodman-Ludwigshafen mit seiner Station Bodman-Schachen/Löchle Teil des universellen Erbes der Menschheit. Für die Archäologie ist diese Fundstelle im Naturschutzgebiet vor allem für die frühe Bronzezeit von überregionaler Bedeutung. Die Erhaltungsbedingungen sind hier ausgezeichnet; die gut erhaltene dreiphasige Stratigraphie (Schichtenfolge) ist sowohl in Süddeutschland wie auch in der Ostschweiz einzigartig und von großer wissenschaftlicher Bedeutung.

 

Pfahlbau-Stationen bieten im feuchten Milieu ideale Erhaltungsbedingungen für organische Materialien wie Holz, Textilien und Pflanzenreste. Dank naturwissenschaftlicher Analysemethoden können Baustrukturen ganzer Siedlungen jahrgenau (Dendrochronologie/Jahresringanalyse) datiert und der Werdegang der Dörfer und ihrer Umgebung (Paläoökologie) nachgezeichnet werden. Es gibt nur ein Problem: Die Pfahlbauten befinden sich mehrere Meter unter der Wasseroberfläche und sind dadurch für Besucher nicht sichtbar.

 

Verbunden mit der Auszeichnung als Weltkulturerbe besteht die Verpflichtung, dieses Weltkulturerbe bekannt zu machen und zu erhalten. Sandra Domogalla, Bodman-Ludwigshafen Tourismus, erzählt, dass daraus die Idee entstand, das Thema auf den Spielplätzen in beiden Teilorten sichtbar und spielerisch erlebbar zu machen. Nun interpretiert der Welterbe-Spielplatz in Bodman im Uferpark ein historisches Zeilendorf, der Spielplatz in Ludwigshafen in direkter Nähe zum Zollhaus ein Haufendorf, eine rundliche eingefasste, historische Pfahlbausiedlung. Eine solche Siedlung bestand zu Beginn der Bronzezeit aus fünf bis neun Häusern mit 25 bis 30 Quadratmetern Grundfläche. Für den Spielplatz hatte die Gemeinde ein bestehendes Einfamilienhaus erworben, dieses abgerissen und den Platz überplant. Er versinnbildlicht die etwa zehn Meter unter Wasser befindlichen Pfahlbauten und ist somit ihre „Sichtbarmachung“ – und ein anziehendes Spielangebot aus Hangeln und Rutschen.

 

Moderne Sicherheits-Standards sind Pflicht

 

Die Formensprache der Pfahlbauten wurde durch die Verwendung von Rundhölzern nachgestellt – allerdings aus Sicherheitsgründen nach dem heutigen Stand der Technik. Die zwischen die Bauten gesetzten Gewandnadeln aus Bronze betonen den historischen Bezug zusätzlich. Auch der Zaun ist in Form einer Gewandnadel gearbeitet worden.

 

Nur wenige hundert Meter entfernt entdeckten Taucharchäologen zu Beginn der 1990er Jahre an der Fundstelle „Seehalde“ beim Strandbad Ludwigshafen zahlreiche bemalte und mit Lehmrelief gestaltete Wandfragmente steinzeitlicher Pfahlhäuser. Zu den ersten und zugleich bedeutendsten Funden gehören Teile ausgesprochen realistisch aus Wandlehm geformter weiblicher Brüste. Diese waren neben unterschiedlichen Zeichen und Musterungen Teil einer Bilderwand, was Farbaufträge auf den Busenformen zeigen. In jahrelanger Arbeit wurden mehr als 2000 Fragmente gesichtet und in Zusammenhang gebracht. Nach Zusammensetzung aller Funde ergaben sich mindestens sieben weibliche Gestalten, die vor allem aus einer Darstellung des Oberkörpers bestanden, der fast lebensgroß wiedergegeben wurde. Sandra Domogalla erklärt, dass die rekonstruierte Wand unterschiedliche Schlüsse zulasse. Es könne sich bei den Frauen um Stammesmütter handeln und die Verehrung von Frauen zeigen. Einerseits habe man daraus geschlossen, dass es schon eine frühe Form von Religion gegeben habe oder es sich um einen Fruchtbarkeitskult handeln könnte. Zweitens könnte es sich auch um die Darstellung von Göttinnen handeln, was wiederum den Stellenwert der Frau in der damaligen Zeit beschreiben könnte. Die baumähnlichen Zeichnungen würden als Darstellung der Gebärstellung einer Frau oder auch als Stammbäume interpretiert, sagt Sandra Domogalla.

 

Auf dem Spielplatz in Ludwigshafen wurde das größte Spielhaus diesem Kulthaus nachempfunden. Auch hier finden sich Zeichen und Muster – aber keine Brüste.

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